Mit Vitamin K gegen den Kalk

Es war ein Moment, den Dr. Muntadher Al Zaidi so schnell nicht vergessen wird: „Mein Chef rief mich an und sagte nur: ‚Sitzen Sie gerade? Halten Sie sich gut fest!‘. Und dann war ich tatsächlich sprachlos.“ Der 28-jährige Assistenzarzt im Herzzentrum der Uniklinik Bonn hat kürzlich die Zusage für den „Young Scientist Grant“ der Corona-Stiftung erhalten. Mit 500.000 Euro Förderung kann er nun drei Jahre lang einer Frage nachgehen, die Millionen Patientinnen und Patienten betrifft: Gibt es bei fortgeschrittener Aortenklappenstenose eine Alternative zum chirurgischen oder interventionellen Ersatz der erkrankten Aortenklappe?

Zwischen Klinik und Labor: ein Arzt, der beides lebt

Wer Muntadher Al Zaidi begegnet, spürt sofort seine Begeisterung für Medizin. „Die Arbeit in der Klinik und im Labor gehören für mich zusammen, ich könnte mir das eine ohne das andere gar nicht vorstellen“, sagt er. Am Krankenbett erlebt er hautnah, wie schwer die Krankheit die Patienten belastet. Im Labor versucht er zu verstehen, was in den Zellen passiert. „Mich fasziniert, wie man eine Erkrankung bis auf die molekulare Ebene herunterbrechen kann. Das ist für mich fast wie ein Spielplatz, auf dem ich mich kreativ austoben kann.“ Die Uniklinik Bonn sieht er dabei als idealen Ort: die gut etablierte Infrastruktur und starke Kooperationspartner ermöglichen ambitionierte Projekte.

Die Verbindung von Al Zaidi zu Bonn ist lang und eng: Hier ist er zur Schule gegangen, hat am Tannenbusch-Gymnasium Abitur gemacht, an der Uni Bonn Medizin studiert und 2018 seine Promotion begonnen – damals neben dem Studium im Labor auf dem Venusberg. Seit 2022 arbeitet er als Assistenzarzt im Herzzentrum.

Die Aortenklappe ist die „Hauptschleuse“ des Herzens. Wird sie durch Kalkablagerungen verengt, kommt es zu Atemnot, Brustschmerzen und Ohnmachtsanfällen. Millionen Menschen in Europa sind betroffen. Ohne Behandlung führt die Erkrankung zum Herzversagen. Heilung gibt es derzeit nur durch einen operativen oder interventionellen Ersatz der verkalkten Klappe; medikamentöse Therapieoptionen fehlen.

Genau hier setzt Al Zaidis Forschung an. Im Mittelpunkt steht das Vitamin K – bekannt aus der Blutgerinnung, aber auch ein wichtiger Hemmstoff gegen Verkalkungsprozesse. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Vitamin K zudem oxidativen Stress abmildert und eine spezielle Form des Zelltods, die sogenannte Ferroptose, hemmen kann.

„Unsere Vision ist, dass wir diese Mechanismen besser verstehen und langfristig eine medikamentöse Therapie entwickeln, die den Klappenersatz ergänzt oder sogar hinauszögert“, erklärt der junge Arzt.

In seinem Projekt verbindet Al Zaidi Grundlagenforschung mit klinischen Studien: Im Labor untersucht er Zell- und Tiermodelle, während in der Klinik ausgesuchte Patientinnen und Patienten sechs Wochen vor einer Herzoperation entweder Vitamin K oder ein Placebo erhalten. Anschließend analysieren die Forschenden das entnommene Gewebe, um festzustellen, ob das Vitamin bereits kurzfristig schützende Effekte entfalten konnten. Dieses integrative „Bench-to-Bedside“-Konzept wird erstmals eine umfassende Datenbasis zur Rolle von Vitamin K und Ferroptose bei der Aortenklappenstenose schaffen.

Ein Großteil der 500.000 Euro Fördermittel wird in Personal fließen: ein biologischer Doktorand und eine technische Assistentin werden das Projekt unterstützen, der Rest fließt in molekulare Analysen. „Drei Jahre sind eine spannende Zeitspanne, in der wir hoffentlich sehr viel erreichen können“, so Al Zaidi.

Forscherdrang von klein auf

Sein Weg in die Wissenschaft überrascht kaum: „Seit der ersten Klasse hat es mir Spaß gemacht, Neues zu lernen. Ich habe im Unterricht immer alles sofort verstehen wollen. Im Vergleich dazu empfand ich Hausaufgaben eher als lästige Pflicht“, erzählt er lachend. Heute liest der 28jährige abends gerne wissenschaftliche Publikationen, nicht als Pflicht, sondern auf der Suche nach neuen Studien, die sein eigenes Forschungsprojekt voranbringen können.

Den Weg in die Medizin hat Al Zaidis, der aus dem Irak nach Bonn kam, als er zwei Jahre alt war, fast automatisch gefunden. „Ich habe eine große Leidenschaft für Naturwissenschaften, wollte aber auch immer etwas machen, das mit Menschen zu tun hat – die Medizin war da der perfekte Weg.“

Die letzten zwei Jahre war Al Zaidi als Clinician Scientist ausschließlich wissenschaftlich tätig. Finanziert wurde er in dieser Zeit über das BONFOR-Förderprogramm der Medizinischen Fakultät der Uni Bonn. Ab Oktober wird er als Assistenzarzt wieder überwiegend klinisch tätig sein, behält aber einen festen Forschungstag pro Woche bei.

Signal für junge Wissenschaft

Mit dem neuen Förderprogramm möchte die Corona-Stiftung junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärken, die nach ihrer Promotion am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen. Der Bewerbungsprozess ist anspruchsvoll: Von der ersten Skizze über einen 20-seitigen Antrag bis hin zur persönlichen Präsentation vor einer Jury. Die Förderung in Höhe von 500.000 Euro gilt als eine der höchsten in Deutschland für junge Ärztinnen und Ärzte zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere.

„Ich bin froh und dankbar, dass ich auf diesem Weg so viel Unterstützung erfahren haben. Vor allem unser Klinikdirektor Prof. Georg Nickenig ist ein wahnsinnig wertvoller Mentor, der mich von Beginn an immer gefordert und gefördert hat,“ blickt Al Zaidi zurück.

Kardiologe Nickenig ist dabei voll des Lobes für seinen Schützling. „Dr. Al Zaidi paart echtes wissenschaftliches Talent mit großem medizinischen Engagement. Hinzu kommt seine schnelle Auffassungsgabe. Dass er nun diese tolle Förderung einsammeln konnte, ist der Lohn für seine Arbeit und freut mich als Klinikdirektor sehr.“

Dass er sich gegen die starke Konkurrenz aus ganz Deutschland durchgesetzt hat, erfüllt den Al Zaidi mit Stolz und Demut zugleich: „Die abschließende Präsentation vor der Jury lief gut, aber natürlich gehört auch immer ein bisschen Glück dazu. Jetzt freue ich mich sehr, dass ich mit meiner Arbeit die Chance bekomme, vielleicht etwas zu bewegen.“

Ein Ziel: Die Medizin von morgen mitgestalten

Heute behandelt Al Zaidi Patientinnen und Patienten mit Therapien, die vor fünf, zehn oder zwanzig Jahren entwickelt wurden. In Zukunft möchte er selbst dazu beitragen, dass neue Verfahren Eingang in die Klinik finden. „Wenn wir es schaffen, dass Patientinnen und Patienten eines Tages nicht mehr zwingend eine Operation brauchen, sondern mit Medikamenten behandelt werden können – dann wäre das ein echter Durchbruch. Und wenn ich mit meiner Forschung auch nur einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, ist das für mich das größte Glück.“

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